Musik des Zweifels

Vor einer Herde weidender Kühe sitzt Silberstift auf einer Bergwiese im Engadin und denkt über seinen Skeptizismus nach. Einerseits findet er es schon in Ordnung, dass er so gut wie nichts glaubt und so gut wie alles für möglich hält. Andererseits wünscht er sich manchmal, es wäre umgekehrt. Man stünde vielleicht mit festeren Beinen auf der Erde.

Dies erwägend, ärgert er sich plötzlich gewaltig über seine negative Sicht auf seine eigene Haltung und beschliesst umgehend, diese von nun an positiv zu sehen. All diese vielen Möglichkeiten, all diese verschiedenen denkbaren Wahrheiten: jede von ihnen ist eine lebendige Geste, eine Haltung der Welt gegenüber, jede könnte man wahrnehmen als einen Ton, ein musikalisches Motiv. Eines aggressiv, eines zart, eines triumphal, eines duldsam. Alle zusammen ergeben sie einen lebendigen Klang, ähnlich dem Getöne der sich miteinander zu einem einzigen vielfältigen Ton verschmelzenden Kuhglocken, das von der Bergalm aufsteigend wie eine singende Bronzewolke in der Luft steht.